Enver Şimşek

Enver Şimşek wurde 1961 in der Türkei geboren und wanderte in den 1985er Jahren nach Deutschland ein. Er lebte mit seiner Familie in Schlüchtern, Hessen und betrieb seinen eigenen Blumenhandel, dessen Verkaufsstände er unter anderem in Nürnberg betrieb.1 Enver Şimşek war Familienvater von zwei Kindern Semiya und Abdul Kerim und galt als freundlicher, fleißiger und beliebter Mensch.

Am 9. September 2000 sprang Enver Şimşek als Urlaubsvertretung am eigenen Blumenstand ein, eigentlich belieferte er nur die Verkaufsstände. Zwischen 12:45 und 14:15 Uhr wurde er durch acht Schüsse lebensgefährlich verletzt. Zwei Tage später starb er, ohne je wieder das Bewusstsein zu erlangen.2 Damit war er das erste bekannte Mordopfer des sogenannten NSU. Die Ermittlungen fokussierten sich über Jahre auf sein privates und geschäftliches Umfeld und unterstellten kriminelle Verbindungen, ohne Hinweise auf rassistische Tatmotive ernsthaft zu prüfen. Erst nach der Selbstenttarnung des NSU im November 2011 wurde deutlich, dass Enver Şimşek Opfer eines rassistischen Terrornetzwerks geworden war.

Die Familie Şimşek kämpfte lange gegen die falschen Verdächtigungen und für die Anerkennung des rassistischen Hintergrunds der Tat. Bei der zentralen Gedenkveranstaltung der Bundesregierung für die NSU-Opfer sprach Semiya Şimşek gemeinsam mit Gamze Kubaşık. Sie sagte, sie habe elf Jahre lang „nicht einmal reinen Gewissens Opfer sein“ dürfen. Ihre Erfahrungen schilderte sie im Buch Schmerzliche Heimat (2013), das später als ARD-Film (Die Opfer – Vergesst mich nicht, 2016) verfilmt wurde. Ihr Leidensweg steht exemplarisch für das systemische Versagen der Ermittlungsbehörden und für institutionellen Rassismus in Deutschland.

Die Biografie von Enver Şimşek ist Teil der kritischen Auseinandersetzung mit dem NSU-Komplex und verdeutlicht, wie tief verwurzelter Rassismus die Perspektiven und Lebensrealitäten von Migrant*innen in Deutschland prägt.

Der Walnussbaum zum Gedenken an Enver Şimşek befindet sich auf dem Gelände des Mildred-Scheel-Berufskollegs in Solingen. Direkt vor dem Mahnmal für die Opfer des Solinger Brandanschlags von 1993.

Die Patenschaft für den Walnussbaum, der Enver Şimşek gewidmet ist, übernimmt die Familie Genç. Auf dem Foto sind von rechts nach links zu sehen: Özlem Genç-Evran, Kamil Genç, Hatice Genç, Türkan Genç und Can Genç.
  1.  Vgl. Aust, Stefan/Laabs, Dirk: Heimatschutz. Der Staat und die Mordserie des NSU, München 2014, S. 464. ↩︎
  2. Vgl. Bendixen, Oliver/Fink, Matthias: Auf der Suche nach dem „Dönerkiller“. Feature. Regie: Matthias Fink. Redaktion: Helga Montag. Erzählerin: Katja Amberger, Erzähler: Reiner Buck. Ton & Technik: Christian Schimmöller. Eine Produktion des SWR. Erstausstrahlung: 21. April 2010, SWR 2, 22:05 Uhr. Şimşek, Semiya/Schwart, Peter. Schmerzliche Heimat. Deutschland und der Mord an meinem Vater, Reinbek 2013.
    ↩︎